Was wir von Apple über die digitale Wirtschaft lernen und welchen Einfluss diese Erkenntnisse auf unsere Unternehmen haben können.
Bild: Apple CEO Tim Cook, Quelle: Digital Trends
Die jüngsten Nachrichten über Massenentlassungen bei Google, Meta, Microsoft, Amazon und Spotify mögen Diejenigen unter uns beflügeln, die sich insgeheim gewünscht hatten, dass der globale Feldzug der Technologie-Giganten nicht ewig andauern wird. Doch auch nach diesen personellen Hiobsbotschaften reicht ein Blick auf die Rangliste der weltweit wertvollsten Unternehmen, um zu verstehen, was unsere Wirtschaftsordnung heute und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft prägen wird: Unter den Top 10 rangieren nicht weniger als 8 Technologiekonzerne. Und diese 8 sind bei weitem noch nicht alle Technologiekonzerne, welche unsere Privat- und Berufsleben inzwischen täglich beeinflussen. Ein Nenner verbindet sie zudem alle: Das Geschäft mit den Plattformen. Für uns alle zugängliche «digitale Marktplätze», auf denen sich Angebot und Nachfrage treffen und aus deren Netzwerkeffekten die Technologiekonzerne einen grossen Profit erwirtschaften können. Oft handelt es sich bei diesen Plattformen um reine Software-Lösungen, sogenannte OTT, frei von irgendwelchen physischen Produkten und Lagerhallen im Hintergrund. Dieses Geschäft mit den Plattformen, welches zunehmend unser Wirtschaftssystem bestimmt, hat auch einen Namen: Plattformökonomie.
Wenn wir im ökonomischen Kontext von den Einflüssen der Plattformökonomie sprechen und lesen, werden im ersten Atemzug meist jene Plattformen genannt, die mit ihren Angeboten unmittelbar auf unsere lokale Wirtschaft einwirken: Die Suchmaschine von Google oder Handelsplattform von Amazon, welche insbesondere den Detailhandel herausfordern, Zalando, welche das Einkaufen von Kleidern revolutioniert hat oder Booking, welche die Tourismus-Branche auf den Kopf gestellt hat. Mit Fokus auf den Medienmarkt sind es Google und Meta, die mit ihren Plattformen als neue Nachrichten-Intermediäre agieren, sowie Netflix und YouTube, die neu für die Unterhaltung sorgen und den klassischen Medienunternehmen damit die Medienkonsumenten, als auch die Werbeerlöse streitig gemacht haben. Nur selten jedoch fällt im ersten Atemzug der Name «Apple». Dabei ist Apple mit 2,85 Billionen USD Marktkapitalisierung (Börsenwert Stand März 2022) das wertvollste Technologieunternehmen der Welt. Liegt es daran, dass Apple weder eine Handelsplattform noch ein soziales Netzwerk sein eigen nennen kann und damit in unserem Alltag als Marke gar nicht so viel Aufmerksamkeit generiert? Oder weil Apple gemessen an seinen Marktanteilen auf dem Markt der Unterhaltungselektronik (Mobiltelefone, Notebooks, etc.) im Schatten des südkoreanischen Technologie-Giganten Samsung steht?
Gegenüber vielen anderen Technologieunternehmen, wie Google oder Meta, basiert das Geschäftsmodell von Apple nicht auf der Vermarktung von Werbung oder Kundendaten. Über 80% des Jahresumsatzes von fast 400 Mia. USD (!) erzielt Apple mit dem Verkauf von Hardware. Dazu gehören allen voran das iPhone (Umsatzanteil von 52%), sowie die weiteren bekannten Produkte iPad, Mac und Wearables (Quelle: Apple Financial Statements). Im Gegensatz zu reinen Plattform-Geschäftsmodellen wie Google oder Meta, ist das Hardware-Geschäft zwar mit viel grösseren Investitionen und Risiken verbunden, aber die Hardware ist in der digitalen Plattformökonomie, welche unsere heutige digitale Wirtschaft prägt, mit Abstand auch das stärkste Glied. Mit seinen Geräten verfügt Apple sowohl über den direkten physischen als auch über den direkten digitalen Kontakt zum Endkonsumenten. Damit kommt Apple auch die Rolle als eigentlicher «Gatekeeper» zur digitalen Welt zu. Und in dieser Position verfügt Apple letztendlich über die Hoheit, welche Anbieter zu welchen Rahmenbedingungen auf ihren Geräten und Betriebsplattformen (iOS AppStore) präsent sein dürfen. Apple bestimmt dabei sowohl die Aufnahmekriterien in den eigenen AppStore, als auch über die Margen für kostenpflichtige Apps (aktuell rund 30%) und über die Weitergabe der Nutzer- und Nutzungsdaten. Im Umkehrschluss bedeutet dies nichts weniger, als dass sämtliche Unternehmen, deren Finanzierung hauptsächlich auf einem digitalen Geschäftsmodell beruhen, von Apple's Konditionen abhängig sind und jährlich einen wesentlichen Umsatzanteil an Apple abliefern müssen. Wenn man sich vor Augen führt, dass nicht nur Millionen von kleinen Unternehmen um den ganzen Globus, sondern auch die ganz grossen Weltkonzerne wie Alphabet (Google), Amazon oder Alibaba, immerhin auf den Plätzen 3-5 der wertvollsten Unternehmen der Welt, in der Abhängigkeit von Apple stehen, kann man die finanzielle Potenz und Marktmacht von Apple einigermassen einordnen. Insbesondere Google ist sich dieser Abhängigkeit sehr wohl bewusst und bezahlt Apple jährlich geschätzte 15 Mia. USD, «nur» damit die Suchmaschinen-App von Google auf den iPhones von Apple vorinstalliert ist. Und obwohl Samsung weltweit mehr Elektronikgeräte verkauft, hat es der südkoreanische Technologiekonzern nicht geschafft, mit einer eigenen starken Betriebsplattform für Apps ein ebenso mächtiges Geschäftsmodell wie Apple aufzustellen. Und so gehört Apple mit einem Jahresgewinn von knapp 100 Mia. USD (Referenzjahr 2021) wenig überraschend auch zu den wenigen grossen Technologiekonzernen, die in jüngster Zeit keine Massenentlassungen vermelden mussten.
Kritiker, die jetzt anmerken, dass der Zugang in die digitale Welt ja nicht nur über das Mobiltelefon und über entsprechende Apps führt, verkennen die Marktrealität. Lesen Sie dazu den ReMindset-Beitrag: Flaschenhals Mobiltelefon. Und wer aus finanziellen oder strategischen Überlegungen auf das sogenannte «responsive Webdesign» setzt und damit auf eine eigentliche App verzichtet, kann zwar die Konditionen für den AppStore umgehen, ist aufgrund fehlender Präsenz auf den Mobiltelefonen aber darauf angewiesen, dass sein Angebot von den potenziellen Nutzenden auch aktiv nachgefragt und gefunden wird.
Obwohl sich das Machtgefüge von Apple primär auf den Business-to-Business-Markt (B2B) auswirkt und damit der breiten Bevölkerung mehrheitlich verborgen bleibt, ist die starke Marktposition von Apple auch den politischen Behörden nicht entgangen. Insbesondere in Australien, Südkorea, Grossbritannien, USA und in der EU sind jüngst verschiedene Gesetze verabschiedet worden, welche die grossen Technologiekonzerne stärker regulieren sollen. Auch kartellrechtlich wird gegen Apple immer wieder mehr oder weniger erfolgreich vorgegangen, Beispiel Apple Pay. Ob die neuen Regelwerke das Ungleichgewicht in der digitalen Wirtschaftsordnung korrigieren mögen, bleibt zu bezweifeln. So haben jüngst auch die Behörden in den USA wieder einen Rückschlag gegenüber den grossen Technologiekonzernen erleben müssen. Denn ein Grosskonzern wie Apple verfügt über genügend Ressourcen, Top-Juristen und Innovationskraft, um sich gegen die politischen Interventionen zu verteidigen oder sich geschickt auf die anstehenden Regelwerke einzustellen. So bereitet sich Apple nach Medienberichten zufolge schon einmal auf die, von der EU auf das Jahr 2024 geplante «Demokratisierung» des AppStore's vor. Grundlage für diese politische Intervention sind die neuen EU-Plattformgesetze «Digital Markets Act» und «Digital Services Act».
Das Beispiel von Apple zeigt anschaulich, dass die angebliche «freie Marktwirtschaft» in der digitalen Welt für kleinere und mittlere Unternehmen nicht mehr funktioniert. Im Gegenteil, im digitalen Wettbewerb treffen äusserst ungleiche Kräfte aufeinander. Und auf eine rasche politische Beihilfe zu hoffen, wäre aus erwähnten Gründen sehr naiv. Für ein regionales oder nationales KMU im Endkonsumentenmarkt (B2C), welches sein Geschäftsmodell unweigerlich auf die digitale Welt ausweiten muss, bedeutet diese digitale Marktordnung, sich den Abhängigkeiten im digitalen Vertrieb (Distribution) wirklich bewusst zu werden und sich mit diesen Herausforderungen auch aktiv auseinander zu setzen. Gefragt ist mehr Innovation in der Wertschöpfungskette. Sprich, das Geschäftsmodell und die Kundenkontaktpunkte so auszugestalten, dass die Abhängigkeiten diversifiziert und die Transaktionen so angelegt werden, dass die globalen Plattformen und Gerätehersteller an den wirtschaftlichen Erfolgen möglichst wenig partizipieren können.
Passend zu diesem Artikel auch folgender Beitrag von ReMindset: Wirtschaftsfeind Nr. 1
Lesen Sie auch diese Pressebeiträge:
- NZZ: Alle gegen Apple
- Tagesspiegel: Wie Apple und Google ganze Märkte privatisieren
- NZZ: Wie macht Tim Cook das?
Lesen Sie mehr zum Thema Plattformökonomie
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Text: David Elsasser
Publikation nur mit Genehmigung und Nennung des Autors und der Unternehmung ReMindset. Sämtliche Aussagen in diesem Beitrag basieren auf der persönlichen Meinung und
Einschätzung des Autors und sind nicht an die Interessen früherer und bestehender Geschäfts- und Arbeitsbeziehungen oder an politische Interessen gekoppelt.
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