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Swisscom @SRF: Ja, ich will!

Was, wenn die Swisscom zukünftig die Verbreitung der Medieninhalte von SRF übernehmen würde?

Bild: Emma Bauso (Pexels)


Im Sommer 2018 wurde in den USA eine der weltweit grössten Firmenübernahmen vollzogen: Das Telekommunikationsunternehmen AT&T hatte für knappe 90 Milliarden USD den Medienkonzern Time Warner (heute Warner Bros. Discovery) erworben. Beide Unternehmen waren bis dahin sehr erfolgreich unterwegs, AT&T glänzte bereits im Vorfeld mit taktisch klugen Übernahmen und Time Warner (u.a. CNN, HBO, Warner Bros.) sorgte mit Erfolgsproduktionen wie «The Sopranos» oder «Game of Thrones» für steigende Aktienkurse. Der Zusammenschluss wurde von vielen Analysten und Anlegern als strategische Meisterleistung gefeiert, denn die technologische Infrastruktur, der direkte Kundenkontakt und die wertvollen Kundendaten von AT&T versprachen in Kombination mit den hochwertigen Medieninhalten von Time Warner ein erfolgsversprechendes Geschäftsmodell. Man erhoffte sich durch die gebündelten Kräfte, die bis dahin marktdominierenden Unterhaltungsangebote von Amazon Prime und Netflix in die Ecke drängen zu können. Doch nur 3 Jahre später war diese grosse Vision bereits wieder geplatzt und AT&T veräusserte das Mediengeschäft der zwischenzeitlich unbenannten Warner Media an den Discovery-Konzern. Im letzten November 2022 ist in der New York Times mit dem Titel «Was This $100 Billion Deal the Worst Merger Ever?» eine wirklich lesenswerte Analyse über diese gescheiterte Firmenübernahme erschienen. In der sehr ausführlichen Recherche hatten die beteiligten Innvestigativ-Journalisten denn auch gleich einen der Hauptgründe für das Scheitern dieser Übernahme identifizieren können: die unüberbrückbaren kulturellen Differenzen der beiden beteiligten Unternehmen. Vor allem auch deswegen ist die misslungene Fusion rückblickend ein Fiasko und dient einzig noch als Lernbeispiel. Aus rein strategischer Sicht lohnt es sich jedoch, die gescheiterte Übernahme nicht einfach abzutun, sondern noch einmal genauer hinzuschauen.


In einer Zeit, wo die Digitalisierung unweigerlich zu einer Globalisierung der Märkte führt und damit zahlreiche kleinere lokale Unternehmen in einen ungleichen Wettbewerb mit internationalen Grosskonzernen stellt, sind Übernahmen, Fusionen, strategische Kooperationen oder die Bildung von Interessengemeinschaften, oft die einzige unternehmerische Option, um als nationales Unternehmen in diesem globalen Verdrängungskampf einigermassen bestehen zu können. Sogenannt «vertikale Integrationen», also die Verlängerung der Wertschöpfungskette, wie sie AT&T und Time Warner versucht hatten, sind zudem aus wettbewerbsrechtlicher Sicht weit weniger problematisch, als sogenannt horizonte Integrationen, bei der sich Unternehmen gleicher Fertigungsstufe vereinen und damit rasch eine marktbeherrschende Stellung einnehmen können. Ein gutes Anschauungsbeispiel einer zumindest aus Marketingsicht gelungener strategischen Kooperation liefert beispielsweise der Schuhhersteller Adidas und der Reifenspezialist Continental. So sind die Sohlen vieler Laufschuhmodelle von Adidas inzwischen von Continental gefertigt und entsprechend mit deren Markenlogo versehen. Dem Käufer und Läufer wird damit suggeriert, dass Adidas auf die besten Komponenten und Technologien setzt und sich in Bezug auf die Griffigkeit und Federkraft seiner Sohlen lieber gleich auf den führenden Spezialisten in diesem Fachgebiet verlässt. Beide Unternehmen bringen ihre Kernkompetenzen in diese «Get Your Grip»-Kollektion ein und profitieren gegenseitig von den kommerziellen Effekten.

Auch im Schweizer Medienmarkt gab und gibt es immer wieder Bestrebungen, durch Übernahmen oder strategische Kooperationen unternehmerische Vorteile zu erlangen. Sei dies im Bereich der Nachrichtenproduktion durch den Newsnet-Verbund, im Bereich der Werbevermarktung mit dem Joint-Venture Admeira oder im Bereich der Datengenerierung mit der neuen OneLog-Allianz. Hingegen kaum angetastet wurden bis anhin strategische Kooperationen oder Fusionen im Bereich der Distribution von Medieninhalten. Zwar verbreiten die Schweizer Medienunternehmen ihre Medieninhalte inzwischen auch über Drittplattformen von Google oder Facebook, hierbei von einer engen unternehmerischen Verschmelzung zu sprechen, wäre jedoch vermessen. Dabei gäbe es viele gute Argumente, die für neue strategische Kooperation oder Fusionen im Bereich der Verbreitung von Medieninhalten sprechen. Die Schweizer Medienunternehmen stehen deswegen nämlich vor fast unüberwindbaren Herausforderungen. Aufgrund des zunehmend digitalen Medienkonsums über Suchmaschinen wie Google, über Video-, Audio- und Social-Media-Plattformen wie YouTube, Spotify oder Tiktok, sind die Medienunternehmen auf der ganzen Welt gefordert, ihre eigenen digitalen Distributionskompetenzen stark auszubauen, damit sie den direkten Zugang zu den Nutzenden und damit die Hoheit über die Angebotsgestaltung, Kommerzialisierung und Datengenerierung nicht ganz verlieren. Vorbei sind die guten alten Zeiten, als die Medien mit ihren klassischen Radio- und TV-Angeboten auf den ersten Sendeplätzen standen oder als persönlich adressierte Zeitung im Briefkasten der Leser landeten und sich damit kaum Gedanken um die Verbreitung und Sichtbarkeit ihrer Medieninhalte machen mussten. Der digitale Medienmarkt unterliegt jedoch ganz anderen Gesetzmässigkeiten. Das Angebot ist regelrecht explodiert und fragmentiert und die zahlreichen Medienanbieter buhlen um die wenigen Plätze auf den Mobiltelefonen, auf welchen der Medienkonsum heute primär stattfindet. Diese neuen Marktbedingungen erfordern neue Kompetenzen und ein ganzheitliches Distributionsmanagement. So hat beispielsweise das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen SRF jüngst eigens eine neue Distributionsabteilung formiert. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei anderen Medienunternehmen zu beobachten.


Die neuen digitalen Verbreitungswege erfordern jedoch auch neue Investitionen in die technologische Infrastruktur, in die Plattformentwicklung und in neue digitale Fachkräfte. Doch weil die Einnahmen aus dem Kerngeschäft der Medienunternehmen rückläufig sind, müssen die nötigen Mittel für den Aufbau der neuen digitalen Distributionskompetenzen aus den eigenen Redaktionen geschwitzt werden, meist zu Lasten der journalistischen Qualität. Ein schmerzvoller, aber unternehmerisch notwendiger Schritt, sind die inhaltliche Qualität eines Medienangebotes und die Erreichbarkeit des Publikums doch gleichwertig für den Erfolg verantwortlich. Erschwerend kommt für die Medienunternehmen hinzu, dass in der aktuellen Transformationsphase hin zu einer rein digitalen Medienwelt, nebst diesen neuen Investitionen, weiterhin auch die klassische Distribution über TV, Radio oder mittels Zeitungsvertrieb parallel finanziert werden müssen. Diesen finanziellen Spagat zwischen der klassischen und der digitalen Medienwelt, bei gleichzeitig rückläufigen Umsätzen, können sich viele herkömmlichen Medienunternehmen kaum leisten. Und im Fall eines öffentlich finanzierten Medienunternehmens wie SRF, war diese übergangsmässig notwendige Transformationsfinanzierung bei der Gebührendefinition erst gar nicht vorgesehen.


Warum es also nicht dem Fallbeispiel von AT&T und Time Warner gleich tun, sich auf seine Kernkompetenzen besinnen, die gemeinsamen Ressourcen bündeln und auch im Schweizer Medienmarkt neue starke Allianzen in der Herstellung und Verbreitung von Medieninhalten eingehen? Zum Beispiel zwischen SRF und der Swisscom, respektive im nationalen Sinn zwischen der SRG und der Swisscom, mit der ambitionierten Mission, die systemrelevante mediale Grundversorgung in der Schweiz sicherzustellen? Auf die «Kulturfalle» wäre man durch das Beispiel aus den USA zumindest schon einmal sensibilisiert. In Bezug auf SRF würde eine solche Distributionsallianz bedeuten, dass sich das Medienunternehmen zukünftig voll und ganz auf die Herstellung, sprich auf die journalistische und redaktionelle Konzeption und Produktion von Medieninhalten konzentrieren könnte. Für die Erreichbarkeit des Publikums, für die Sicherstellung der medialen Grundversorgung, für die zunehmend datenbasierte Distribution, für die Programmierung von Apps und Plattformen, für die Interaktion mit den Nutzenden, inklusive der nötigen Investitionen in die gesamte technologische Infrastruktur, wäre dieser Logik nach zukünftig die Swisscom verantwortlich. Die vielerorts bereits bestehende Aufgabentrennung von Herstellung und Verbreitung innerhalb eines Medienunternehmens, würde in diesem Sinne einfach neu auf zwei Unternehmen mit der jeweiligen Kernkompetenz aufteilt. Ohne despektierlich zu sein, verfügt ein Telekommunikationsunternehmen wie die Swisscom aus der Historie heraus sicher über mehr Kompetenzen in der Verbreitung von digitalen Inhalten und in der Bewirtschaftung digitaler Plattformen, als ein klassisches Medienunternehmen wie SRF, welches hauptsächlich von journalistischen und medienproduktionsorientierten Kompetenzen geprägt war und ist. Und weil Swisscom bereits seit vielen Jahren mit «Swisscom Blue» ein eigenes Medienangebot etabliert hat, würden die entsprechenden Plattformen für die Verbreitung der SRF-Medieninhalte auch schon bereitstehen. In diesem Kontext würde es mit der neuen Aufgabenteilung auch zu weniger inhaltlichen und technologischen Überschneidungen kommen, wie sie heute im Bereich der Sportrechte und der Streaming-Plattformen bestehen. Zudem würden durch die neuen Synergien auch die Steuerzahlenden entlastet werden können, denn wir erinnern uns, sowohl die SRG, als auch die Swisscom sind ganz oder zumindest teilweise von der Öffentlichkeit finanziert.

Doch leider taugt dieser Vorschlag nichts und zwar aus verschiedenen Gründen. Einerseits besitzt die Swisscom kein Monopol und kann somit den politischen Leistungsauftrag, eine mediale Grundversorgung für die ganze Schweiz zu erbringen, gar nicht erfüllen. Andererseits darf SRF, mit seinem Anspruch der Unabhängigkeit keine Marktteilnehmerin als Distributionspartnerin bevorzugen. Der Wettbewerb würde dadurch sowohl im Telekommunikationsmarkt, als auch im Medienmarkt stark verzerrt werden. Und zu guter Letzt sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür nicht gegeben. Weder in der Konzession der SRG, noch in der Konzession der Swisscom ist eine solch klare Aufgabenteilung vorgesehen. Und dies, obwohl die Swisscom schon in der alten klassischen Broadcast-Welt für die technische Distribution der Radio- und TV-Signale der SRG besorgt war. Bisher hatte die SRG für diese Broadcasting-Dienste der Swisscom einfach einen zweistelligen Millionenbetrag bezahlt. Diesbezüglich auf eine baldige Änderung der Gesetzte oder Konzessionen zu hoffen, wäre kühn und naiv zugleich. Denn wir sind mit den heutigen Mediengesetzten nicht einmal soweit, dass sie die bestehende technologische Realität abbilden. Und in die Zukunft zu denken, war zumindest bis heute nicht gerade die Stärke unserer Regulatoren. Und somit bleibt auch dieser Beitrag, was er verspricht, eine Inspiration von ReMindset und mehr nicht.

Warum auch der Vorschlag von Avenir Suisse nicht viel taugt

Der Vorschlag, die SRG auf die Funktion der Medienproduktion zu beschränken, ist nicht neu. Bereits vor einigen Jahren hatte der unabhängige Wirtschaft-Think-Tank «Avenir Suisse» die Idee eines «Public Content Providers» vorgebracht. Gemäss dem Vorschlag von Avenir Suisse, solle die SRG ihre Medieninhalte gemäss Leistungsauftrag nur noch herstellen, ausspielen würde sie diese aber nicht mehr selbst aus. Stattdessen sollen die Inhalte den privaten Medien in einem wettbewerblichen Verfahren, im Sinne einer Auktion, zur Verbreitung zugeteilt werden. Dieser Vorschlag ist gut gemeint, hat jedoch einige Überlegungsfehler. Einerseits widerspricht gerade die Idee einer Auktion dem Grundgedanken des Service Public. Der Leistungsauftrag umfasst eben gerade nicht nur Angebote, die eine breite Öffentlichkeit adressieren und daher auch für die Privatmedien aus unternehmerischer Sicht interessant sind. Mit welcher Priorität würden somit Angebote, die für Minderheiten bestimmt sind oder eher sachlich-trocken anmuten, in einer Auktion und danach auch in der Verbreitung behandelt werden? Andererseits existiert das vorgeschlagene Modell im Rahmen des Shared-Content-Angebotes der SRG bereits. Ein Blick auf die uns bekannten Medienportale zeigt jedoch, dass die Privatmedien dieses Angebot der SRG kaum nutzen. Nur wenige wollen die vorgefertigten und mit einem SRF-Logo (respektive mit einem RTS- und RSI-Logo) versehenen Inhalte übernehmen. Der Grund liegt gemäss Aussagen verschiedener Exponenten im unterschiedlichen journalistischen Verständnis. Wer wie die Privatmedien kommerzielle Ziele verfolgt und nach Clickbaiting strebt, hat einen anderen Anspruch an die Dramaturgie der publizistischen Angebote. Dass der Vorschlag von Avenir Suisse zumindest in seiner ersten Fassung von 2014 wenig taugte, wurde ausgerechnet von den potenziellen Nutzniessenden selbst attestiert. So publizierte der Verband Schweizer Medien (VSM) zwei Jahre nach dem Bericht von Avenir Suisse eine selbst beauftragte explorative Studie der Universität Lugano, welche das Konzept des Public Content Providers für nicht umsetzbar erklärte. Wenigstens in der Schlussdiagnose herrscht Einigkeit: «In der Service-public-Debatte verharrt die Schweizer Politik im letzten Jahrhundert.» (Dr. Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse).


Deklaration: Der Autor dieses Beitrages war sowohl bei Swisscom, als auch bei SRF in strategischen Leitungsfunktionen tätig. Sämtliche Aussagen in diesem Beitrag basieren jedoch auf der persönlichen Meinung und Einschätzung des Autors und sind nicht an die Interessen früherer und bestehender Geschäfts- und Arbeitsbeziehungen oder an politische Interessen gekoppelt.


Lesen Sie passend zu diesem Beitrag auch folgende beiden Beiträge von ReMindset:


Über folgenden Link finden Sie den vollständige Bericht von Avenir Suisse: Eine Medienpolitik für das digitale Zeitalter (Version Oktober 2022)


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Text: David Elsasser






Publikation nur mit Genehmigung und Nennung des Autors und der Unternehmung ReMindset.




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