Warum die Medien dringend neue Geschäftsmodelle brauchen, den Fokus aber lieber auf neue Fördergelder legen.
Bild: Ekrulila (Pexels)
Das waren noch Zeiten, als eine einzige ganzseitige farbige Werbeanzeige im «Le Matin Dimanche», der Sonntagszeitung der französischsprachigen Schweiz, noch über CHF 30'000.- eingebracht hat und die Werbekunden für Fernsehwerbung im Schweizer Fernsehen Schlange gestanden sind. Seither gehen die Werbeumsätze der klassischen Medien Radio, TV und Print nur noch in eine Richtung: stark nach unten. Laut Stiftung Werbestatistik Schweiz betrifft der Umsatzrückgang in der Nettobetrachtung sämtliche Mediengattungen, besonders hart hat es aber die Printmedien getroffen. Über 60% Umsatz haben sie in den letzten 20 Jahren eingebüsst. Schlagzeilen, welche uns ein «Wachstum» der klassischen Werbemärkte verkünden, beziehen sich bei genauerem Hinsehen meist nur auf den jeweiligen Vorjahresvergleich. Damit wackelt das wichtigste Finanzierungsstandbein der Privatmedien. Und auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkstationen (SRG) leiden mit, refinanzieren sich doch ebenfalls zu nicht unwesentlichen Anteilen aus Werbung in ihren Programmen.
Wer auf die Kompensation durch Online-Werbung auf den eigenen Digitalplattformen hofft, verkennt eine wesentliche Marktrealität: Das Preisniveau für Online-Werbung ist um ein Vielfaches tiefer, als jenes der klassischen Werbemedien. Schuld daran tragen die grossen internationalen Plattformen wie YouTube oder Facebook, welche einen Bruchteil des altgedienten Tausender-Kontakt-Preises (Währung zur Werbepreisberechnung) für für die gleichen Werbe-Reichweiten veranschlagen. Also auch wenn sämtliche Nutzenden der klassischen Medien zu den gleichnamigen Angeboten im Netz wechseln würden - die Zeitung «Blick» ist auf diesem Weg - , könnten die identischen Werbe-Reichweiten nicht gleich kapitalisiert werden. Das grosse Umsatzwachstum der Online-Werbung - gemäss Schätzungen sind dies in der Schweiz bereits über CHF 2 Mia. jährlich (1) - geht somit primär an die grossen internationalen Plattformen der Technologiekonzerne Google und Meta, welche als neue Intermediäre von der Plattformökonomie profitieren und den direkten Kundenkontakt und damit die Online-Werbeerträge mehrheitlich für sich beanspruchen können.
Bleibt die Hoffnung auf die direkten Einkünfte durch die Medienkonsumenten. Doch auch die Abonnementzahlen der Zeitungen sind seit vielen Jahren rückläufig und auch um die Zahlungsbereitschaft für Informationsinhalte im Netz steht es in der Schweiz nicht gut. Gemäss Reuters Institute haben im Jahr 2020 lediglich 13% aller Schweizer:innen angegeben, für Online-News bezahlt zu haben. Somit liegt auch die direkte Kapitalisierung der Medienkonsumenten in der digitalen Welt weit unter den Werten aus der alten Zeit. Und im Kontext der zunehmenden Medienangeboten bei wenig elastischen Medienbudgets der Konsumenten, dürfen hier keine grossen Veränderungen zu erwarten sein.
Sind die Zitronen bei den klassischen Medienunternehmen einmal ausgepresst, sprich die maximal möglichen Sparmassnahmen durch Konsolidierung, Outsourcing und Automatisierung vollzogen, bleibt es bei der Querfinanzierung der publizistischen Geschäftsfeldern durch Diversifikation und beim Ruf nach mehr staatlicher Medienförderung und stärkerer rechtlicher Regulierungen. Jedenfalls sind aus den primär immer noch männlichen Führungsriegen der grossen Medienkonzerne noch keine anderen Töne zu hören. Dabei könnten sie durchaus mit mehr Innovationskraft glänzen. So wie viele andere Branchen ihre Geschäftsmodelle ebenfalls neu denken müssen. Und genau hier würde für die Medien auch gleich die Quelle der Inspiration liegen.
(1) Die internationalen Technologieplattformen publizieren ihre nationalen Werbeumsätze nicht, es handelt sich deshalb um Schätzungen auf Basis von Umfragen bei den werbetreibenden Unternehmen (Publicom).
Lesen Sie dazu auch den ausführlichen wissenschaftlichen Beitrag Money for nothing and content for free
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Text: David Elsasser
Publikation nur mit Genehmigung und Nennung des Autors und der Unternehmung ReMindset. Sämtliche Aussagen in diesem Beitrag basieren auf der persönlichen Meinung und
Einschätzung des Autors und sind nicht an die Interessen früherer und bestehender Geschäfts- und Arbeitsbeziehungen oder an politische Interessen gekoppelt.
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